Почему у российских немцев нет своей элиты?

Почему у российских немцев нет своей элиты?   Проф., доктор исторических наук Лев Малиновский считает, что отсутствие элиты у российских немцев не является следствием исторических катаклизмов века XX-го - депортации и сталинских репрессий. Корни проблемы лежат куда глубже: их следует искать еще в XVIII столетии, когда немцы только переселялись в Россию. Накануне проведения встречи рабочей группы "Поддержка авангарда" в Алмате размещаем очерк Льва Малиновского, опубликованный ранее в издаваемом нами журнале Gemeinschaft / Содружество (3/2008).

Warum fehlt den Russlanddeutschen eine führende Schicht?
Das Fehlen einer Elite oder einer eigenen nationalen führenden Schicht bei den Russlanddeutschen ist keine Erscheinung der letzten Jahrzehnte oder allein ein Ergebnis der Diskriminierung und der Verfolgungen der Stalin-Zeit und danach. Die Wurzeln der Erscheinung liegen viel tiefer und beginnen schon in der Zeit der Einwanderung.
Erstens versteht es sich von selbst, dass nicht die Oberschichten einer künftigen Nation nach Russland auswanderten, sondern die ärmeren und unteren Schichten der Bevölkerung. Die ursprüngliche Oberschicht mit halbfeudalem Besitz sollte die Berufer bilden, diese waren aber dazu wenig geeignet, weil sie Russland und den Kolonisten zu weit abstanden. Wie einer der älteren Autoren es formulierte, sollten „französische Offiziere den deutschen Handwerkern beibringen, wie man in Russland Landwirtschaft betreibt“.
Das Fehlen einer gebildeten Schicht. Man soll nicht vergessen, dass auch die deutschen Landen damals ziemlich ungebildet dastanden, ein ordentliches Schulsystem fehlte und die Universitäten mit ihrem gelehrten Latein standen dem Volke und dem Leben noch fern. Die wenigen mitgekommenen abgetakelten Offiziere (v. Platen) oder Studenten (Mohr) starben bald weg und die angehenden Bauern blieben allein auf weiter Flur. Die Regierung spürte diesen Mangel und versuchte, ihnen eine geistige Führung durch die bestellten Pastoren zu geben, aber erstens waren es zu wenige und zweitens standen auch die den Bauern nicht nahe, weil sie aus dem Baltikum, der Schweiz und aus nicht weiß welchen deutschen Kleinstaaten stammten. Bei den Katholiken waren es oft überhaupt keine Deutsche, sondern Polen (siehe Busch, Deutsche Schule und Kirche in Russland, 1868). Nur wenige von ihnen interessierten sich für Geschichte und Volkskultur der Kolonisten (Dsirne), die meisten predigten dem dialektsprechenden Volk ein weltfremdes Literaturdeutsch und verfolgten die eigenständigen Volkslieder, deswegen hatten die Russlanddeutschen keine Volkslieder in den Dialekten.
Eine wirtschaftliche Führungsschicht konnte in den Kolonien auch nicht entstehen; denn erstens bauten die Regierungsbeamten auf Gleichheit der halbhungrigen Bauern und zweitens standen die Kolonien zu weit ab von dem damaligen Weltmarkt ab, wie sollten da Kapital und reiche Kaufmannschaft entstehen (man vergleiche nur die Lage in Norddeutschland mit seinen Hafenstädten). Dazu waren die Kolonien auch von der russischen Stadt durch Verwaltungs-, Sprach- und Religionsschranken abgesperrt.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Erscheinen der Eisenbahn, des Außenhandels und der Industrie, kamen Reichtum und Bildung in das deutsche Dorf. Aber auch jetzt wurde die Oberschicht vom gemeinen Mann isoliert – der Reiche ging in die Stadt, schickte seine Kinder auf die russische Universität oder lebte abseits auf seinem Chutor oder Gut (Falz-Feins), wo er Umgang mit den russischen Gutsbesitzern oder Kaufleuten pflegte, oft nicht nur Sprache, sondern auch Konfession änderte, was die deutschen Pastoren ungemein empörte. Nur sehr wenige Kolonisten gehörten nun als Schreiber oder Landlehrer zu den ersten Keimen des russlanddeutschen Bildungsbürgertums (Kludts). Erst in dieser Zeit erscheinen auch die ersten Keime der weltlichen Literatur der Russlanddeutschen, die ohne gebildete Autoren nicht bestehen konnte.
Kaum erschienen aber diese ersten Keime auf der Oberfläche, als sie von der Sense der Verfolgung und Diskriminierung im Ersten Weltkrieg dezimiert wurden, oder eben im Keime erstickt worden sind – allein die Schließung der deutschen Zeitungen und die Überführung der Schulen auf die russische Sprache führten einen derben Schlag gegen die gebildete Schicht der Kolonien, die beiden Revolutionen des Jahres 1917 und der Bürgerkrieg mit Hunger und Seuchen vernichteten diese Oberschicht fast bis an die schwachen Wurzeln. Das Volk wurde sich selber überlassen, viele Pastoren und Lehrer (Stach, Stumpp) wanderten nach Deutschland aus.
Die neue Macht der Bolschewiken konnte diesen Zustand auch nicht lange ertragen. Es musste eine Führungsschicht her, um den Einfluss der Stadt und des Staates auf die Menge zu übermitteln. In den Kolonien fehlte sie nun vollkommen, die Partei musste auf andere Quellen zurückgreifen, diese fanden sich in der Masse der Kriegsgefangenen, die besser gebildet war und den neuen Ideen offener gegenüberstand als die konservative Masse der Kolonisten (Reuter, Szigetti, Kamann). Aber auch diese Schicht der Parteimänner stand dem Volke fremd, sie schaute mehr nach oben und nach dem Westen. Eine eigene Oberschicht bildete sich aber sehr langsam und unsicher, ihm fehlte die Bildung und die Weitsicht, sie war mehr auf die lokalen Verhältnisse und Ansichten eingestellt. Die Spitze der Intelligenz fehlte ganz, bezeichnend ist, dass diese Spitze es nicht mal schaffte, eine erste Geschichte der eigenen Republik aufzuschreiben. Ein Teil der nationalen Intelligenz ging auch jetzt durch die Assimilierung verloren (Pilnjak). Sehr bald fiel sie auch als Opfer der neuen Verfolgungen (Emich, Dinges, D. Schmidt) oder begab sich von der nationalen Kultur und Geschichte weg in die anderen Geistesgebiete (Shirmunski, Eurich). Die Stelle der geistigen Führung nahmen nun die wenig gebildeten und selbster­nannten Prediger verschiedener Richtungen ein.
Der Tod von Stalin und die Aufhebung der offiziellen Diskriminierung der Deutschen 1955 ließ neue Hoffnungen aufleben. Die neugegründeten deutschen Zeitungen bildeten Zentren des geistigen Lebens, hierher kamen die Reste der sowjetischen Oberschicht der 30er Jahre (Klein, Sachs, Bolger), hier verdienten ihre Sporen die Anfänger der neuen deutschen Literatur und der Journalistik (Spaar, Kramer, Wormsbecher). Aber die Halbheit der Reformen der Chruschtschow-Zeit und das Fehlen einer staatlichen Organisation und der wirtschaftlichen nationalen Oberschicht, das Fehlen der eigenen Hochschulen und der wissenschaftlichen Institute, die der neuen Intelligenz ein Auskommen und eine Perspektive geben würden, verhinderten die Bildung einer neuen Oberschicht, es fehlte die Grundlage für eine weitere Entwicklung. Es genügt zu sagen, dass in den 30–35 Jahren der Nachkriegszeit trotz der angestrengten Arbeit der Presse zur Schaffung einer neuen Bildungsschicht (durch Presse, Theater und Schule) es den Russlanddeutschen nicht gelungen war, auch einen einzigen neuen jungen Schriftsteller auf die Beine zu stellen. Der Zerfall der UdSSR 1990 brachte den Massen die Freiheit der Auswanderung, mit der Masse wanderte aber auch der kleine Rest der Intelligenz aus; der noch vor 1941 eine Bildung in der deutschen Schule genossen hatte (Warkentin, Kramer, Mangold). Auf diese Weise wurde also die deutsche Minderheit drei Mal geköpft – 1914–22, 1938–41 und 1990–95, wo sollte da eine Führungsschicht herkommen, die ja meist in Dynastien wuchert?
Nun eröffneten sich aber für die Russlanddeutschen neue Wege zur Bildung einer Oberschicht – das Unternehmertum wurde freigestellt, es wurde wieder möglich, Farmerbetriebe zu bilden und zu führen, sie sollten eine Forderung erhalten, sei es als gleichberechtigte russische Bürger, sei es als geförderte (durch den bundesdeutschen Staat) Mitglieder der deutschen Minderheit. Aber das Werden einer Unternehmerschicht ist ein dauernder Prozess, um aus einem Uhrmacher (Lepp) einen erfolgreichen Unternehmer der Landmaschinenbranche (Lepp/Wallmann) zu machen, brauchte die Geschichte etwa 30 Jahre, in der Schafzucht brauchte der Mennonite Cornies auch etwa 20 Jahre, um durch Pacht und Züchtung großer Herden Millionär zu werden (dabei wurde er auch eifrig durch die Beamten des Zaren gefordert).
Auch im politischen Leben spielten die Beziehungen keine geringe Rolle: Die führenden Männer bzw. Frauen stützten sich auf ihre Verbindungen vor 1990, um sich ohne Wahlen und Vereine von selbst nach oben aufzuschwingen. Das sowjetische Wahlsystem hat diese Streber auch nur begünstigt, sie war keineswegs national. Das Resultat war politisches Strebertum übelster Sorte (Grouth) oder Herausgabe von Büchern, die durch deutsche Mittel gefördert wurden, für die Menschen selbst aber keinen Wert hatten (Tschebotarewa, Diesendorf). Manche russischen Fachleute ergriffen schnell das brennende Thema „Russlanddeutsche“, um Werke zu publizieren oder zu einem wissenschaftlichen Grad zu kommen, so ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und dann als Trittbrettfahrer wieder abzuspringen (Belkowetz). Für diese ist meist die Kenntnis der deutschen Sprache unnötig, die Literatur des 19. Jahrhunderts oder der Wolgarepublik haben sie auch von draußen nicht gesehen.
L. Malinowskij, Professor, Dr. habil. hist.,
Pädagogische Universität, Barnaul

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